ANTI-GEDICHT FÜR JOHANN WOLFGANG VON GOETHE

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Anti-Gedicht für Johann Wolfgang von Goethe (grob Entwurf)

                                                                Für Sonja Brie
                                                                und die Duchrows:
                                                                Lucie, Alfred, Irene (Reni) und Faris



Eigentlich, ich kenne deine Lichtlehre nicht,
von deiner Botanik habe ich wenig Ahnung,
deine Zeichnungen reizen mich nicht an,
auch dein Aus meinem Leben - Dichtung und Wahrheit
wünsche ich mir noch zu lesen,
doch Die Leiden des jungen Werthers
las ich als Jüngling auf arabisch.
Ach ja, Faust und deine Gedichten
und die Marienbader Elegie habe ich studiert;
auch deine erfrischenden Gespräche mit Eckermann.

Auf deinem Ettersberg
rannten Soldaten zwischen den Bäumen.
Wir lagen auf saftigem Gras,
lauschten und hörten es wachsen,
auch sahen wir Geschosshülse
im Unterbush verstreued;
Doch dein Temple,
Belvédère der Landschaft und Naturlabor,
war nicht da.

Wieviele Male
war ich schon in deinem Haus am Frauenplan,
legte auf dem Wege zu deinem Gartenhaus
meine Hand auf Puschkin´s Haupt;
und überwand zuletzt das Freund´s Argument,
"Wohin fährst Du, er is doch eine Leiche."

Als Nomade komme ich zu dir,
und manche Entdeckungsreise
war in Begleitung von Wallfahrerinnen, jene
die mich mit weichen deutschen Worten fütterten,
schließen sie mich an die Ströme ihrer Seelen an,
mir den Geist erzogen, mich ernährten
und in ihre nächtlichen Wärme einsaugten.

Immer und wieder bleiben mir Fragen:

Warum wenn ich mir das deutsche Essen
und den Nachmittagskaffee nicht einbilde,
meine Wallfahrerinnen mir unerfassbar bleiben?

Woher stammt die Zustimmung zwischen
meinem antiken irakischen Sinn für Tragödie
und deinen Marienbader Linien:

"Was soll ich nun vom Wiedersehen hoffen,
Von dieses Tages noch geschloßner Blüte? "

Warum ich, wenn getrübt
von der Landschaft auf dem Ettersberg
und von der Diapositivenschau
der Haare – und Shuhhaufenbilder im Buchenwald,
jedesmal zu dir zurückkomme?

Wenn Wallfahrten vergangen sind,
und meine Wallgefährtinnen längst weg sind,
käme ich immer wieder,
um mich ins virtuellen Bilde Weimars einzuschleusen,
um mich bei seinen Gesellen,
im längst verklärten Labyrinth der Gassen und Marktplätzen,
im Handwerk auszubilden;
und dann bei dir mir das Haupt zu waschen, auszuruhen,
und von deiner emotionellen Eleganz zu schöpfen,
käme ich wieder ins wirkliche Weimar,
käme ich mit Freundes Treue zu dir doch wieder.

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Dichter: Anwar Al-Ghassani
Geschrieben in: San José, Costa Rica
Datum: 13 Juni 1996 – Sonntag, 20 Februar 2005
Sprache des Originals: Deutsch
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